Geschichte der Wanderer-Werke

Vom unaufhörlichen Aufstieg eines Handwerksbetriebes zu einem deutschen Großunternehmen bis zu dessen Untergang

1885: Gründung der Firma „Chemnnitzer Velociped-Depot Winklhofer & Jaenicke“ in der Chemnitzer Poststraße

winklhoferjaenicke
Johann Babtist Winklhofer und Adolf Jaenicke

1886: 100 Fahrräder wurden in diesem Jahr hergestellt. Winklhofer erfindet für sie den Namen „Wanderer“.

1887: Umzug in größere Räume in die Theaterstraße und Umbenennung in „Chemnitzer Velociped-Fabrik Winklhofer & Jaenicke“ Die Jahresproduktion beträgt bereits 100 Fahrräder.

1894: Bau eines neuen Werkes im Chemnitzer Vorort Schönau

1895: Wanderer stellt das 10.000. Fahrrad her.

1896: Beginn der Produktion von Fräsmaschinen, Umstellung der Fahrradproduktion vom Hoch- auf das Niederrad. Gründung der: „Wanderer-Fahrradwerke AG, vorm. Winklhofer & Jaenicke.

1902: Die Motorradproduktion beginnt. Die Fahrradfertigung stagniert. Es werden neue Geschäftsfelder gesucht.  Im Mai beschließt man, Schreibmaschinen zu produzieren.

1903: Das erste Modell einer Schreibmaschine wird fertiggestellt. Sie ist durch 60 Patente geschützt und hat sichtbare Schrift.

1904: Im Mai wird die erste von 400 in diesem Jahr hergestellten Schreibmaschinen ausgeliefert.

1905: Über 1.300 „Continental“ Schreibmaschinen werden im Zweischichtbetrieb produziert.

1908: Da die Fertigung von Fahrrädern bei weitem nicht mehr überwiegt, erfolgt am 15. Januar die Umbenennung in: Wanderer-Werke, vormals Winklhofer & Jaenicke AG.

1909: Im obersten Geschoss eines der vierstöckigen Hochbauten wird für die 800 Werksangehörigen eine „Speiseanstalt“ eingerichtet,  eine für die damalige Zeit beispielgebende soziale Errungenschaft.

1910: Die 20.000. Schreibmaschine wird ausgeliefert. Im Februar begeht die Firma ihr 25jähriges Bestehen.

1911: Grand Prix für die Continental-Schreibmaschinen auf der Brüsseler Weltausstellung.

1912: 2.000 Beschäftigte bei Wanderer, Beginn des Baues des bekannten fünfgeschossigen Gebäudekomplexes mit den markanten Turmbauten der Wanderer-Werke, welcher durch den Ersten Weltkrieg erst 1917 beendet werden konnte.

1913: Das Versuchsmodell einer Addier- und Subtrahiermaschine ist fertiggestellt

1914: Kriegsbedingter starker Rückgang der Schreibmaschinenproduktion

1915: Das erste fabrikationsreife Modell der Addier- und Subtrahiermaschine wird vollendet.

1916: Am 16. November wird die Continental Adier- und Subtrahiermaschine Nr. 1 geliefert.

1917: Wanderer kauft neue Grundstücke in Chemnitz-Siegmar.  Am 22. Oktober stirbt der Firmengründer Richard Adolf Jaenicke.

1918: Überall herrscht Hunger in Deutschland. Wanderer pflanzt auf allen nicht bebauten Grundstücken Kartoffeln an und schafft Kühe und Schweine an, um den Beschäftigten auch Nahrung zu bieten.

1920: Wanderer erhöht bei ersten Anzeichen der Inflation das Aktienkapital auf 10,5 Millionen. Die 10.000. Fräsmaschine wird hergestellt. Die Continental –Addier- und Subtrahiermaschine kann mit elektrischem Antrieb geliefert werden.

1921: Auf dem Gelände in Schönau werden 240.000 m² neue Werkhallen gebaut.

1922: Inflation: Der letzte Geschäftsabschluss in alten Mark: 6.021.727.132.239. Erhöhter Büromaschinenumsatz.

1923: Die Wanderer-Werke geben über 119 Milliarden Mark Notgeld aus.

1927: Wanderer investiert 1,6 Millionen Mark. Teile des neuen Werkes in Siegmar gehen in Betrieb. Im Mai wird mit dem Entwurf der “Continental“ Kleinschreibmaschine begonnen.

1928: Bei den Standardschreibmaschinen wird der Setzkolonnensteller eingeführt.

1929: Im September wird die erste Serie der neu eingeführten Kleinschreibmaschine „Klein Continental“ aufgelegt und die Herstellung im Fließverfahren eingerichtet. Versuchen für den Bau einer geräuschlosen Schreibmaschine beginnen.

1932: Das erste Modell der ersten deutschen geräuschlosen Schreibmaschine „Continental Silenta“ wird fertiggestellt. Abgabe der Automobilsparte an die Auto Union AG.

1933: Das zweite Modell der „Silenta“ ist fertig, die Fabrikation startet im September.

1934: Die „Continental“ Standard-Schreibmaschine mit der Herstellungsnummer 500.000 verlässt das Werk. Wanderer ist der größte Büromaschinenhersteller Europas.
100.000 Fahrräder werden in diesem Jahr produziert.

1935: Fünfzigjähriges Bestehen des Unternehmens. Bilanz: 800.000 Fahrräder, 600.000 Schreib-, Addier- und Buchungsmaschinen, 27.000 Kraftwagen, 16.000 Werkzeugmaschinen.

Von 1935 bis 1940 erhielt jeder Werksangehörige eine Weihnachtsgabe. Das war eine erzgebirgische Holzfigur, hergestellt bei der bekannten Firma Wendt in Grünhainichen. In oder an dieser Figur war Platz für 5-Mark-Stücke, die je nach Anzahl der Familienangehörigen beigelegt wurden. Zur Kriegsweihnacht 1940 gab es einen Porzellanteller von Rosenthal. Heute sind die Weihnachtsgaben begehrte Sammlerartikel.

1936: 7.000 Beschäftigte bei Wanderer

1937: Eine Notenschreibmaschine und eine Registrierkasse werden entwickelt und gebaut.

1938: Die Firma streicht die Namen der beiden Gründer und heißt ab jetzt: „Wanderer-Werke AG“. Die 1.000.000. „Continental“-Schreibmaschine verlässt das Werk. Auf dem Gelände des ehemaligen „Wintergartens“ wird das 164 m lange und 20 m breite fünfstöckige Gebäude für den Addier- und Buchungsmaschinenbau errichtet.

1939: Auslieferung der 50.000. Buchungsmaschine. Mit Kriegsbeginn wurden Teile der Hauptproduktion, die für das Heer Verwendung fanden, als Rüstungsproduktion ausgewiesen.

1942: Kriegsbedingte starke Reduzierung der Schreibmaschinenfertigung. Bau von weiteren Rüstungsgütern wie Kreiselkompassen, Zündspulen, Chiffriergeräten (die legendäre „Enigma“) und Maschinenpistolen.

1945: Das Werk hat den Krieg fast unbeschädigt überstanden. Totale Demontage des Werkes durch die Besatzungsmacht. Der Gesamtverlust wird auf 72 Millionen Mark geschätzt. Mit Genehmigung der Besatzungsmacht begann ab Mitte September mit 510 Werksangehörigen die Herstellung von Bedarfsgütern wie Kartoffelschälern, Zigarettendrehern, Feuerzeugen, Schuhschonern, Hosenspangen, Haarwickeln und diversen Scharnieren für die Bauwirtschaft.

1946: Enteignung durch Volksentscheid zu Gunsten des Landes Sachsen.

1948: Löschung der „Wanderer-Werke AG“ aus dem Handelsregister des Amtsgerichts Chemnitz auf Ersuchen der Landesregierung Sachsens. Gleichzeitig wird in München auf einer außerordentlichen Hauptversammlung die Verlegung des Sitzes der Gesellschaft nach München beschlossen. Chemnitz wird nur noch als Zweigstelle betrachtet. Als einziges Aktiva in die neue Firma wurden von den alten Leitungsmitgliedern die Zeichnungen und Konstruktionsentwürfe eingebracht, die vor Kriegsende vorsorglich nach Bayern gebracht worden waren. In Chemnitz werden mit 1.356 Beschäftigten bereits wieder 8.000 Schreibmaschinen, 250 Addier- und Buchungsmaschinen, 98 Fräsmaschinen und 4.800 Fräswerkzeuge hergestellt.

1949: Umwandlung in einen Volkseigenen Betrieb (VEB) unter dem Namen: Mechanik, Büromaschinenwerk Wanderer-Continental VEB ChemnitzFortführung und Weiterentwicklung der Fertigung von Schreib- und Rechenmaschinen.

1951: Umbenennung in: VEB Mechanik Büromaschinenwerk Wanderer-Continental Chemnitz. Erste Buchungsmaschine Klasse 900

1953: Zusammenlegung mit den Astra-Werken zum: VEB Büromaschinenwerk Chemnitz

1954: Wieder Trennung von den ehem. Astra-Werken und Umbenennung in: VEB Büromaschinenwerk Karl-Marx-Stadt. Es wird eine goldene Schreibmaschine für einen Scheich gebaut. Die letzte Ausführung der Continental-Standardschreibmaschine erscheint.

1955: Einstellung der Büromaschinenfertigung auf Ministerratsbeschluss und deren Verlagerung nach Erfurt. Dort werden bis 1958 noch 16.390 Stück Continental–Schreibmaschinen unter dem Namen „Opticon“ (Optima-Continental) hergestellt.

Von 1904 bis 1955 wurden in den Wanderer-Werken Chemnitz folgende Schreibmaschinen hergestellt:

  • „Continental Standard“: ca. 1.900.000 Stück
  • „Continental Silenta“: ca. 68.000 Stück
  • „Klein-Continental“: ca. 700.000 Stück

(In dieser Chronologie wurde das Hauptaugenmerk auf die Schreibmaschine gelegt.)